Donnerstag, 5. November 2015

Politik in Indien - Wahlen und Die Regierung Modi

Vor kurzem fanden im Bundesstaat Kerala, in dem wir leben, die regionalen Distriktwahlen statt. Dabei wählt die Bevölkerung die politische Vertretung der einzelnen Distrikte von Kerala. In unserem Fall ist das der Distrikt Idukki. Die Ergebnisse stehen noch nicht fest, dennoch beeindruckte uns die herausragende Wahlbeteiligung von 80 % im unserem Distrikt. Da die meisten Menschen hier offen über Politik reden, sobald man es schafft sich ein wenig anzunähern, dachten wir, dass ein Artikel über die politische Situation Indiens vielleicht mal ganz interessant wäre.

Überall Wahlplakate in Vandiperyar, eine Stadt nahe uns.



Mit dreimal so vielen Einwohnern wie Europa ist Indien das am 2. meisten Bevölkerte Land der Erde. Die größte Demokratie der Welt steht vor massiven Problemen. 50% der indischen Bevölkerung ist unter 25, weshalb jedes Jahr 12 Millionen Menschen auf den Arbeitsmarkt strömen. Für 25 % der im Land lebenden Bevölkerung gibt es immer noch keinen Strom . Auch Umweltprobleme machen dem Land zu schaffen, (die Luft in Mumbai ist so stark verschmutzt, dass man täglich Rauch, vergleichbar mit der Menge von zweieinhalb Schachteln Zigarretten inhaliert) die Atmosphäre ist verpestet und es droht eine Wasserkrise. 
Vor all diesen Problemen stand der Mann, der am 16 Mai 2014 mit einer absoluten Mehrheit von 31% zum neuen Premierminister Indiens gewählt wurde - Narendra Modi.
Narendra Modi wurde am 17 September 1950 in Vadnagar geboren und  wuchs als drittes von 6 Kindern in einer eher ärmlichen Händlerfamilie auf. Im Alter von 8 Jahren entdeckte Modi die RSS (Rashtriya Swayamsevak Sangh) die ihm später half in der Partei BJP Fuß zu fassen.
 Die RSS gilt als extremistische Hindu Organisation und gilt als einer der größten Verein der Welt. Immer wieder wurde an ihm kritisiert, dass er religiöse Minderheiten unterdrücke. Ein langjähriger Vorstand des RSS verdächtigte Muslime als potenzielle Vaterlandsverräter und Christen als feindliche Agenten. 
Nach einer schnellen politischen Karriere, folgend auf seinen Eintritt in die BJP, wurde Modi zum Chief Minister von Gujarat und verhalf dem Bundesstaat zu großen wirtschaftlichen und administrativen Erfolgen und konnte dort von 2002 bis 2012 regieren. Im Mai 2014 wurde er dann zum Premierminister von Indien gewählt. 
Schon vor der Zeit als Premierminister kam es bei ihm zu Kontroversen: So wurde ihm vorgeworfen, dass er bei einem Anschlag im Februar 2002, bei dem es eine gewalttätige Auseinandersetzung zwischen Hindus und Muslimen gab und 254 Hindus, sowie 790 Muslime ums Leben kamen, er nicht stark genug in die Situation eingegriffen hätte. Die USA machte ihn für diesen Vorfall verantwortlich und ihm wurde 2005 sein Einreisevisum verwehrt. Nach einer späteren Untersuchung des Obersten Gerichts wurden aber keine wesentlich belastenden Beweise gegen Modi gefunden. In seiner jetzigen Amtszeit spricht sich Modi (wenn auch erst zögerlich) gegen die Diskriminierung von Religionen aus und betonte die Religionsfreiheit in Indien.
In seinem Wahlkampf setzte Modi verstärkt auf soziale Medien (der Wahlkampf war teilweise vergleichbar mit dem von Obama) und konnte so die absolute Mehrheit erreichen. Seine Wahlversprechen reichen von Wirtschaftswachstum bis hin zu weniger Korruption, ein marktfreundlichereres Umfeld und ausreichende Nahrungsmittelversorgung für Millionen von Indern unter der Armutsgrenze. Viel davon Umsetzen konnte er bisher noch nicht (wobei er sein Amt auch noch nicht so lange inne hat). Das erhoffte Wirtschaftswachstum trat zwar ein, jedoch um einiges geringer als erwartet. Positiv ist zu erwähnen, dass Modi sich für die Chancengleichheit von Frauen einsetzt. Vor Allem außenpolitisch, ist er um einiges aktiver als seine Vorgänger und pflegt die politischen Beziehungen des Landes. Einschnitte bei Nahrungsmittelsubventionen, die von der Welthandelsorganisation veranlasst wurden, konnte er auch vermeiden. Ein weitere Errungenschafft, die es dem Land ermöglicht mehr für die Versorgung seiner Bevölkerung zu tun.
Der Premierminister muss sich zu Recht jedoch auch viel Kritik stellen. Bekannt ist, dass er seinen dominanten Führungsstil besitzt. So dürfen seine Minister, sich nur mit seiner Erlaubnis gegenüber den Medien äußern. In seiner Partei ist er umgeben von Anhängern in hohen Ämtern, die in diverse Strafprozesse involviert sind und sein Vertrauter Amit Shah den er zum Präsidenten der BJP machte, ist sogar mit Mordvorwürfen konfrontiert. Ein weiterer negativer Aspekt ist auch, dass nach Modis Amtseintritt, der Lehrplan im Bundesstaat Gujarat um Schulbücher erweitert wurde, die hindufundamentalistische Weltansichten propagieren. Auch setzt Modi auf teilweise undurchsichtige Taktiken, um versprochen Reformen durchzubringen. Ein Beispiel ist eine Reform, die es Investoren ermöglichen sollte, leichter Bauland zu finden. Dafür sollte ein Gesetz, welches 2013 verabschiedet wurde und den Bauern des Landes mehr Schutz vor Enteignung gab, zu Gunsten von Industrie aufgeweicht werden, was aber zu so großen Protesten von Seiten der Bevölkerung, die in der landwirtschaft tätig ist (fast 50% der Menschen im Land) führte. Das Gesetz wurde nicht verändert. Modi wollte auch das Solarnetzwerk in seinem Land auf 100 Gigawatt ausbauen, was vielen Fachmännern als utopisch erscheint. Bei der Umweltpolitik kümmert sich Modi vor Allem um die Säuberung des Flusses Ganges und um eine Kampagne Namens “Säubert Indien". Die Luftverschmutzung in Delhi wird dagegen von seinem Umweltminister als "alter Hut" bezeichnet und negative Berichte von indischen Medien zu diesem Thema bezeichnet er als gesteuerte Kampagnen, die Indiens Entwicklung bremsen. 
Während seiner bisherigen Amtszeit erhöhte Modi den Druck auf zivilgesellschaftliche Organisationen massiv. Auch die vorige Regierung hatte schon damit begonnen Konten von Organisationen zu sperren und bis jetzt wurden mehr als 9000 Organisationen die Lizenzen entzogen, mit der Begründung, dass sie die industrielle Organisation behindern und zu weniger Wirtschaftswachstum sowie Imageschaden führen würden. Auffallend ist aber, dass vor allem Organisationen behindert werden, die sich politisch engagieren. So ist z.B die Ford Foundation auf der Beobachterliste, nachdem die Vorsitzende der Stiftung Modi kritisierte, er hätte bei Aufständen gegen Muslime nicht genug eingegriffen. Auch Greenpeace wurde stark eingeschränkt und darf keine Spenden mehr von ausländischen Spendern entgegennehmen. Greenpeace bezeichnete das vorgehen als das Verbieten von Kritik. 
In Kerala  bekommt die kommunistische Partei zurzeit die meisten Stimmen. Außerdem ist es der Bundesstaat mit den meisten Christen, kein Wunder also das einige der Leute die Modiregierung kritisch betrachten. In unserem Umfeld hatten wir die Gelegenheit einige Inder nach ihrer Meinung zu dem Premierminister zu fragen. Positiv wird von vielen Indern, die wir gefragt haben, was sie von der Regierung halten, erwähnt, dass Modi eine sehr internationale Politik verfolgt und im Gegensatz zu der vorherigen Regierung, stark bemüht ist, ausländische Beziehungen zu pflegen. Sie stehen hinter dieser Öffnung. Besonders im Laufe des Besuches von Angela Merkel kamen diese Punkte auf. Einige meinten außerdem, dass sich die Wirtschaft unter Modi spürbar verbessert hat. Während uns ein Muslim sagte, dass er sich unter Modi mit seinem Glauben nicht eingeschränkt fühlt, gab es auch Einige, die Modi genau für die Einschränkung von Andersgläubigen stark kritisierten. Er würde die anderen Religionen unterdrücken und den Hinduismus in den Vordergrund stellen. 
In den kommenden Jahren wird man sehen ob Modi doch noch einige seiner Versprechen erfüllen kann. Der am Anfang stehenden Euphorie scheint jedoch für immer mehr Ernüchterung zu weichen.   


kurz vor Bekanntgabe der Wahlergebnisse
Leute warten auf die Wahlergebnisse