Sonntag, 23. August 2015

Angekommen



Der überwiegende Inhalt meines 70l Rucksacks

(Gleich vorab: Im Moment ist Regenzeit. Das bedeutet, dass es bei uns so ziemlich jeden Tag regnet. Den Internetanschluss den wir zur Verfügung haben ist nicht sehr schnell. Das ist nicht weiter schlimm, heißt aber, dass wir Bilder nur schwer hochladen können. Noch dazu fällt das Internet durch den Regen immer wieder aus, weshalb unser Post auch leider erst so spät kommt. Wir hoffen  er gefällt euch trotzdem und versprechen, dass mehr Bilder nachkommen, sobald wir sie hochladen können. Es lässt sich einfach alles besser mit Bildern erklären.)

Anton                 Liam

Als meine Eltern, meine Schwester und ich am Flughafen ankommen, sind schon fast alle da. Ich mochte die Atmosphäre, weil bis auf ein paar traurige Blicke hier und da eigentlich jeder positiv aufgeregt zu seinen schien. Nachdem Anton und ich die Trekkingrucksäcke eingecheckt hatten und der Rest der Gruppe auch durch war, ging es los. Ein letzter Abschied und es ging Richtung Gate. Der Flug von Frankfurt nach Bangalore (ca 8 Stunden Flugzeit mit Lufthansa) lief ziemlich problemlos. Eine Sache die mir im Sinn geblieben ist, dass der Pilot sich bei der Landung erst mal prompt versprach. „Willkommen in Bangkok!“, sagt er, als wir stehen. Ist halt ein anstrengender Job...

All Freiwilligen des 8. Batch (2015/16)
Aufenthalt am Flughafen in Bangalore
Nachdem wir am Bangalore Flughafen an Passkontrolle und Immigration vorbei sind und unsere Rucksäcke abgeholt haben (wir mussten sie für den Flug innerhalb Indiens noch einmal neu einchecken) setzen wir uns alle zusammen in eine Ecke des Flughafens, denn zwischen unserem Flug aus Deutschland und unserem Weiterflug nach Coimbatore weiter südlich liegen nochmals 8 Stunden. Ich kann nicht schlafen. Die anderen schon. Manche mehr, manche weniger. 



Nach ein paar Stunden können wir an den Schalter, um wieder unser Gepäck einzuchecken. Der Flug (ca 1 Stunde mit JetAirways) verläuft problemlos. Witzig ist, dass die Maschine so klein ist, dass ich im Gang kaum aufrecht stehen kann.

Als wir am sehr kleinen Flughafen von Coimbatore, im Bundesstaat Tamil Nadu ankommen und alle ihr Gepäck haben gehen wir raus. Wir wissen, dass wir abgeholt werden von Malathi, der MoM (Mentor of Mentors). Kaum sind wir draußen hören wir auch schon ein lautes „Welcome!“. Eine indische Frau kommt auf zu. Erst mal ein paar Umarmungen und dann führt sie uns schon zu einem Bus, der aussieht als hätte man ein paar Kindergartenkinder mit Farbe auf ein großes Auto losgelassen. Ziemlich cool. Und wie sich im Laufe der Woche rausstellt auch ziemlich indisch. Die fahrt ist genau, wie ich es erwartet habe und ich kann mich erinnern, dass mich das ziemlich glücklich gemacht hat: Es ist warm, es ist laut, es ist bunt und Malathi gibt uns Kekse. Und dann Riegel. Und dann wieder Kekse. So in der Art wurde uns das schon vor der Ankunft klar gemacht. Reize im Überfluss und Essen. Nice.

Unser Zimmer im KKID
Nach mehr als einer Stunde, mit Zwischenstopp, wo wir unseren ersten Chai genießen, kommen wir im KKID an (Karl Kübel Institute for Development Education). Ein schöner Ort. Es liegt außerhalb von Combatore, in einer hügeligen Landschaft. Mehrere Gebäudekomplexe sind verteilt auf einem großzügig angelegten Gelände, dass mit wunderschön angelegten Gärten bepflanzt ist. Es gibt neben einem Sportplatz und einem Meditationsraum sogar einen Computerraum. Im laufe der Zeit stellt sich allerdings heraus, dass wegen mangelnden Lan Kabeln und Stromausfällen das benutzen der Computer eher mühselig ist.  Wir kriegen unsere Zimmer gezeigt, ich teile mir eins mit Liam. Wir haben glück mit unserem Zimmer, z.B Paul und Felix (auch zwei Freiwillige) haben eine große Spinne vor ihrem Fenster. Und dann erst mal Chai, indischer Tee. Super lecker und immer vorhanden. Danach gibt uns Malathi noch eine kleine Tour vom Gelände und stellt uns einige Mitarbeiter vor.
Landschaft um das KKID

Beim Einkaufen
Am nächsten Tag (14.08.15) geht es in die Stadt Coimbatore zum Einkaufen. Eine sehr interessante Erfahrung. Auf vier Kunden in der Herrenabteilung (die vier männlichen Freiwillige) kommen zehn Verkäufer. Nachdem wir alle, gefühlte hundert mal, die Fragen „Where are you from?“, „What are you doing here?“ und „Are these your brothers?“ beantwortet haben verlassen wir den Laden. Ach und zwei Hemden, sowie eine lange Hose hab ich auch noch gekauft.

Essen im KKID
Mittags essen wir in einer „eatery“. Eateries sind ähnlich wie Restaurants, nur dass es meist nur eine Art von Gerichts plus Beilagen gibt. Wir sind die einzigen Touristen in dem Eatery und gegessen wird typisch indisch: Auf Bananenblättern und mit der Hand (aber nur mit der rechten, da die linke Hand als unrein gilt). Der restliche Tag wird damit verbracht noch ein wenig Coimbatore zu sehen. Abends essen wir im KKID. Das Essen ist wieder super lecker. Im KKID wird auf Tellern gegessen und, wer möchte kann sich Besteck dazu nehmen. Im Laufe meines Aufenthalts im KKID hab ich versucht mir es immer mehr anzugewöhnen auf Besteck zu verzichten.
Essen in der 'Eatery'

In der Schule
Am Samstag (15.08.15) ist Unabhängigkeitstag und Malathi gibt uns die Möglichkeit bei einer Zeremonie an einer Schule teilzunehmen. Alle Schüler stehen geordnet in Reihen, vorne stehen wichtige Personen, wie der Direktor der Schule und ortsansässige Politiker. Nachdem der Direktor eine Rede hält wird die indische Fahne unter Applaus gehisst. Darauf folgen verschiedene Vorführungen von Schülern, die Gedichte und kleine Lieder vortragen. Auch wir tragen ein Lied vor, worauf sofort eine Zugabe gefordert wird. Nachdem an jeden Süßigkeiten ausgeteilt werden verlassen wir die Schule, nicht ohne unzählige kleine Hände zu Schütteln und Namen mit den Kindern auszutauschen. Heute ist außerdem die „spirituel tour“.

Wir besuchen zuerst einen Sikh Tempel. Die Sikh Religion ist vielen wahrscheinlich eher weniger bekannt, da es außerhalb Indiens nur sehr wenige Sikh Gemeinden gibt. Außer in Groß Britannien, dort gibt es verhältnismäßig relativ viele Menschen, die der Sikh Religion angehören. Sikhs sind zu erkennen an ihren Turbanen und ihren Bärte. Teil der Sikh Religion ist es seine Bart- und Kopfhaare nicht abzuschneiden. Um den Tempel betreten zu dürfen, müssen die Frauen ihre Schals über den Kopf ziehen und die männlichen Freiwilligen bekommen Tücher, mit denen wir auch unser Haar bedecken. Danach werden wir von einem angehörigen der Gemeinde rumgeführt und bekommen einiges über die Sikh Religion und ihre Geschichte erklärt. Mehr zur Sikh Religion vielleicht in einem anderen Blogartikel.

Shiva Statue am Eingang zu 'Isha'
Vom Sikh Tempel fahren wir mehr als eine Stunde zu einem Yoga Center genannt „Isha“. Dort nehmen wir an einem spirituellen Bad teil und an einer Zeremonie in einer Art Tempel. Das einschneidenste Erlebnis ist jedoch der Aufenthalt in einem kuppelförmigen Gewölbe. Dort sitze man in völliger Stille mit über 100 anderen Menschen zur gleichen Zeit so lange man will. Viele nutzen den Ort um zu meditieren.


Im Yoga Centre 'Isha'
 Von Isha aus besuchen wir noch eine indische katholische Gemeinde. Das ganze ist unerwartet anders. Mich persönlich hat die Kirche und die Atmosphäre sehr an die von amerikanischen christlichen Gemeinden erinnert: Extreme Hingabe, überall Anzeigen die Bibelstellen zeigen, „Jesus Saves“, usw.

Die darauffolgenden Tage bestehen aus Seminaren und wir lernen unsere Mentoren kennen. Der Mentor is der Ansprechpartner der Freiwilligen in dem, in dem sie arbeiten. Unser Mentor Binal zeigt sich von Anfang ziemlich gelassen und nett. Gleich zu Anfang steht schon fest, dass er sich im November gerne den neuen James Bond mit uns angucken wird. Binal klärt viele Fragen, wie zum Beispiel den Ablauf unseres Tages und genauere Angaben zu unserem Wohnort und unseren Aufgaben. In den nächsten Tagen verbringen alle Freiwilligen viel Zeit mit ihren Mentoren.
Bis zum Ende haben wir auch jeden Morgen um 6:30 Yoga bei einem Lehrer. Trotz der frühen Uhrzeit hat mir das Ganze jedoch sehr gut gefallen, da die Trainingsstunde nicht nur aus Yoga besteht, sondern unser Trainer sich am Ende der Stunde sehr oft auch über unseren Freiwilligendienst und andere Themen unterhält und jeden Tag uns einen neuen Denkanstoß gibt. Noch dazu ermöglicht er uns das Yoga Training fortzuführen, da er uns in der letzten Einheit mit einigen Grafiken ausgestattet hat, die uns helfen es auch ohne ihn praktizieren zu können, falls wir das wollen. Ich muss sagen, dass dieser Mann zu den bisher interessantesten Menschen gehört, die ich je kennengelernt habe. Und ich bin erst eine Woche hier...

Am Abend des 19. August, um 21:00 verlassen Anton, unser Mentor Binal und ich als letztes Team von allen das KKID um vom Bundesstaat Tamil Nadu weiter südlich nach Peermade, im Bundesstaat Kerala, zu fahren, wo wir alle für die nächsten sieben Monate leben und arbeiten werden. Wir fahren zunächst mit einem Taxi zum Bahnhof in Coimbatore. Dort nehmen wir einen Nachtzug nach Kerala. Die Fahrt dauert etwas mehr als 5 Stunden. Wir fahren in der Sleeper Klasse. Dabei gibt es einzelne Abteile (die aber nicht abgeschlossen sind) in denen es jeweils sechs gepolsterte Pritschen gibt, immer drei über einander. Die Pritschen waren für mich sowieso schon zu klein, das wäre an sich nicht so schlimm, jedoch gibt es in dieser Klasse nur schlecht die Möglichkeit sein Gepäck zu verstauen. Das hat die folge, dass ich meine beiden Rucksäcke auf die eine Hälfte der Pritsche lege und auf der anderen Hälfte versuche zu schlafen. Wir erreichen unser Ziel in Kerala gegen Fünf Uhr morgens. Zur Ankunft trinken wir, wie sollte es anders sein, erst mal einen Chai.

Vom Bahnhof aus nehmen wir ein Rikschataxi (eine Art Motorrad auf drei Rädern, welches erstaunlich viel Platz hat) zu einem Busbahnhof. Von dauert aus geht es mit dem Bus weiter. Während wir im Bus sitzen schlafe ich immer wieder ein, da ich im Zug nur wenig schlafen konnte. Auf der Fahrt wird es schon wieder hell und umso höher wir steigen (die Gegend in der wir wohnen ist sehr hügelig), desto atemberaubender wird die Aussicht.
 Viel Grün, endlos Dschungel und später Kiefernwälder und zwischendrin immer wieder Teeplantagen, sowie der ein oder andere Blick ins Tal. Nach ca eineinhalb Stunden kommen wir in Kutikanam an. Ein Mitarbeiter von PDS holt uns mit dem Auto ab. Er setzt Binal auf dem Weg ab und wir werden  weiter zu unserem Wohnort gebracht. Wir wohnen in einem kleinen Ort namens Pallikkunnu. Außer uns, ein paar anderen Ayurveda Gästen, Father Hubby, den Mitarbeitern und ein paar Kühen gibt es dort eigentlich kaum andere Leute. Kurze Zeit später sind wir da. Wir lernen zum ersten mal Father Hubby, den Direktor von PDS, kennen. Er zeigt uns wo wir schlafen (wir haben zwei Zimmer in einem Haus das sonst leer steht) und bringt uns zu Joseph dem Koch. Wir essen etwas zum Frühstück (mittlerweile ist es ca 8:30 am 20. August) und lernen sofort zwei Gäste der Ayurveda Abteilung von PDS kennen. Zwei Frauen aus Österreich. Den Rest des Tages verbringen wir damit etwas Schlaf nachzuholen, auszupacken und  Wäsche waschen. Wir leben übrigens auf knapp 1000 Metern Höhe.

Am nächsten Tag fährt uns Father Hubby das erste mal zum Büro.
Wir steigen in einen Jeep und heizen mit atemberaubender Geschwindigkeit um sehr enge Kurven. Überholen in der Kurve ist kein Problem und auch ein eingehender Anruf am Handy wird noch gemanaged. Am Büro angekommen werden wir von allen Mitarbeitern herzlich begrüßt.
Danach nehmen wir an einer Konferenz teil und wir sehen unseren Arbeitsplatz, ein großer gemütlicher Raum, in dem noch 5-7 andere Mitglieder arbeiten. Bein einem „staff meeting“ verteilen wir an alle Mitarbeiter Süßigkeiten, wobei mir die Gesichter der Mitarbeiter beim probieren von Brause immer in Erinnerung bleiben werden. Den Rest des Tages verbringen wir mit ausfüllen verschiedener notwendiger Dokumente.

Am darauffolgenden Tag, dem Samstag, nimmt uns Father Hubby mit zu einem „village meeting“. Wir fahren fast zwei Stunden zu einem kleinen Dorf in der hügeligen Region. Unser Job ist es Fotos von dem Treffen für Father Hubby zu machen. Als wir ankommen und aus dem Auto steigen, wird sofort klar, dass es relativ schwierig unserer eigentlichen Aufgabe nachzukommen. Vor dem Meeting, feiert das ganze Dorf noch das Onam Fest, welches es nur in Kerala gibt. Das bedeutet, dass das ganze Dorf anwesend ist. Und das bedeutet wiederum, dass wir 20 Kinder um uns herum haben, die alle Fragen stellen, sobald wir einen Fuß aus dem Auto. Eigentlich ist das immer total nett, aber mit Fotos machen ist da nicht mehr viel. Also teilen wir uns kurzer Hand auf. Einer macht Fotos, während der andere sich mit den Kindern unterhält. Das klappt gut und die Unterhaltungen mit den Kindern sind immer wunderbar. Besonders lustig wird es, wenn ihnen anfangen die Fragen auszugehen. Dann kommen Fragen wir „What is your father’s name?“, „What is your mother’s name?“ und es wird zu jeden einzelner Sache die ihnen einfällt gefragt ob wir sie mögen. „Do you like swimming?“ war das Beste. Denn außer der hohen Luftfeuchtigkeit und dem Punkt, dass Anton und ich im Schweiß baden, weil wir uns viel zu dick angezogen haben, da es morgens noch ziemlich kalt war, leuchtet uns nicht ein wie sie auf einmal auf schwimmen kommen.

Das Fest ist toll. Es ist laut und bunt. Auf einem Platz spielen Teams Seilziehen und es geht ziemlich hoch her. Besonders wenn eine Mannschaft eindeutig gewinnt. Wir unterhalten uns mit einem Mann, der uns ein bisschen mehr über das Fest erzählt. Es basiert auf einer Legende von einem König, der den Menschen zum Fest erscheint. Uns fällt auch auf das einer der Jungen als eine Art König verkleidet ist. Das Mittagessen isst das gesamte Dorf zusammen in einer Halle. Wir sind auch eingeladen. Es gibt viel und gut zu essen. In einem anderen Teil der Halle sind auf dem Boden Muster aus Blütenblättern ausgelegt.
Nach dem Mittagessen findet das Dorftreffen statt. Wir machen weiter Fotos und sind uns ziemlich sicher, dass auch ein oder zwei mal über uns geredet wird, da alle uns angucken. Wir sind uns aber nicht sicher und bleiben daher sitzen, da wir nicht im falschen Moment aufstehen wollen. Nach dem Treffen fahren wir weiter. Father Hubby muss in einer anderen Stadt etwas abholen. Nachdem das erledigt ist, setzen wir uns zusammen mit ihm, de, Fahrer und einem Mitarbeiter von PDS in ein Café und trinken einen Chai. Dazu gibt es ein leckeres Gebäck gefüllt mit Bananen. Bald geht’s es zurück. Die fahrt dauert wieder ein bisschen, so dass es schon Zeit fürs Abendessen ist als wir ankommen.